Telenovela de la memoria
Aus der geschichtswissenschaftlichen Erinnerungsforschung stammt das Arbeitskonzept telenovelas de la memoria, das sich auf jene Telenovelas und Serien bezieht, die zeitgeschichtliche Themen der jüngsten Vergangenheit behandeln. Dieses Konzept impliziert das Verhältnis dieser Art von Telenovelas und Serien zu ihrem Publikum. Das wichtigste Charakteristikum von telenovelas de la memoria ist, dass sich der Großteil der Zuschauerschaft an die gezeigten Ereignisse persönlich erinnert, entweder durch das eigene Erleben oder durch Erzählungen von den Eltern oder Großeltern. Die gezeigten geschichtlichen Ereignisse der telenovelas de la memoria reichen also bis drei, maximal bis zu vier Generationen zurück. Diese Eigenschaft unterscheidet sich von historischen Telenovelas, die zwar auch von historischen Ereignissen handeln, diese aber schon lange zurückliegen und es keine Zeitzeugen für den dargestellten Zeitraum mehr gibt.
Eine telenovela de la memoria ist meist eine geschichtliche Telenovela, in der oftmals Namen realer Personen in Form eines Melodramas oder Dokudramas verwendet werden. Ebenso kann Bildmaterial aus historischen Archiven verwendet werden, das in die Telenovela eingewoben wird (sogenannte Bildmigration). Gefilmt wird häufig an realen Orten der gezeigten Ereignisse oder diese Orte werden nachgestellt. Oft behaupten die Produzent:innen dieser Telenovelas und Serien selbst, dass sie damit einen Beitrag zur historischen Erinnerung leisten wollen. Die dargestellten Ereignisse stehen in Verbindung zu einem kollektiven Trauma der Gesellschaft. Die Produktionen bieten eine Darstellung der Vergangenheit an, die sich durch die Einordnung der individuellen Erfahrungen zu einer kollektiven Erinnerung formen kann und zum Geschichtsbewusstsein einer Gesellschaft beiträgt.
Die genannten Merkmale der telenovela de la memoria helfen den Zuschauer:innen, ihre eigenen Erinnerungen einzuordnen und sich mit der dargestellten Erzählung zu identifizieren. Dies erfolgt durch einen Aushandlungsprozess, der nicht immer konfliktfrei verläuft, da es ungewollte Erinnerungen hervorruft oder familieninterne Diskussionen befeuert, die es vorher noch nicht in den Alltag geschafft haben.
Beispiele für telenovela de la memoria: Anos Rebeldes (Brasilien, 1992), Los 80 (Chile, 2008-2014), Pablo Escobar, el patrón del mal (Kolumbien, 2012)
Lies mehr zu telenovelas de la memoria:
- Contreras Saiz, Mónika (2017): Narcotráfico y telenovelas en Colombia: entre narconovelas y “telenovelas de la memoria”. In: Hispanorama, 157, 26-31.
- Contreras Saiz, Mónika (2019): «Te reconstruyen la historia»: Teleseries sobre la dictadura militar chilena y en la conciencia histórica de sus telespectadores. In: Javier González Arellano, Nicolás Del Valle Orellana und Damián Gálvez González (Hg.): Golpes a la memoria. Escritos sobre la posdictadura chilena. Madrid: TEGE, S. 135–152.